26.06.2020, 15:10
Das Paläogen
Seit 2003 gilt das menschliche Genom als vollständig entschlüsselt. Diese Entdeckung löste aber nicht alle Fragen über uns, sondern hat vielmehr weitere eröffnet. Zwar kann man nun alle Teile der DNA benennen, aber ihre Aufgaben zu verstehen ist eine andere Sache. Man weiß, dass manche Teile Proteine herstellen, andere Bauanleitungen sind. Und andere wiederum sind ein evolutionäres Überbleibsel und besitzen keinerlei Aufgaben.
Das Institute for Genomic and Experimental Medicine (IGEM) in Edinburgh ist ein staatlich gefördertes und international renommiertes Institut für Genetik und Mikrobiologie, das sich mit Krankheitsbekämpfung und –prävention beschäftigt, aber auch Verwandtschafts- und Pränataltests anbietet. Vor einigen Jahren brachte der schottische Wissenschaftler Dr. Dale im Rahmen eines groß angelegten Projekts Genproben aus unterschiedlichen Ländern mit. Er arbeitete an einer Gensequenz, die man bis heute als einen Rest menschlicher Vorfahren bezeichnet; nutzlos und inaktiv. Augenscheinlich. Sie decken sich mit den Funden, die man vom homo erectus hat, dem Vorfahren des homo sapiens, der sich zum modernen Menschen entwickelte, während sich seine Verwandten ab einem gewissen Zeitpunkt getrennt weiter entwickelten und schließlich ausstarben.
Seine Forschung hatte anfangs nur eine genauere Aufschlüsselung der evolutionären Entwicklung des Menschen zum Ziel, bekam allerdings einen ganz neuen Fokus, als er die Genproben einiger Männer und Frauen erhielt, die eine Reihe von Merkmalen aufwiesen, deren Ursprung sich nicht erklären ließ: Alle Personen waren laktoseintolerant, vertrugen kein Gluten, erkrankten selten an Infektionskrankheiten und waren allesamt physisch sehr leistungsfähig. An sich nichts Ungewöhnliches, wenn diese Merkmale nicht innerhalb kürzester Zeit in Erscheinung getreten wären. Alle Probanden bezeugten, dass sie in der Vergangenheit keinerlei Nahrungsmittelunverträglichkeiten, dafür aber z.T. andere Allergien besessen hätten, die nun verschwunden wären. Sie wären auch niemals besonders sportlich oder außergewöhnlich gesund gewesen. Da man sich nicht erklären konnte, woher diese Veränderungen kamen, suchte man eine Antwort in den Genen.
Nur, weil man sich zufällig zeitgleich mit dem eigentlichen Forschungsprojekt über die inaktiven Genreste beschäftigte, stellte man fest, dass die neuen Proben in genau dieser Gensequenz Unterschiede aufwiesen. Sie waren aktiv und stellten Proteine her, die zu eben besagten Merkmalen führten. Kurzum: Ein als funktionslos geltender Genteil des homo erectus war plötzlich wieder aktiv geworden. Die Frage war nur – warum?
Man benötigte genauere Informationen über den Zeitpunkt, ab wann die Veränderungen im Körper eingetreten waren. Also interviewte man die Probanden und fand heraus, dass beinahe alle Kontakt mit Personen hatten, die man nach neuesten Erkenntnissen aus den USA als NHs bezeichnet. Vampire. Der wissenschaftliche Austausch zwischen amerikanischen Biologen, die im Rahmen der streng geheimen Operationen gegen die NHs auch eben jene Zielobjekte untersuchten, und dem Projekt von Dr. Dale begann im Jahr 2019 und ungefähr zeitgleich, als sich Washington mit London in Verbindung setzte. Seitdem liegen nun auch Genproben von NHs vor, die wiederum ebenfalls alle das aktive Evolutionsgen besitzen. Man hat das aktive Gen Paläogen getauft, abgeleitet von der Zeit des Paläolithikum, in das man den homo erectus zurückdatierte.
Zu folgenden Erkenntnissen ist man bisher im Institut in Edinburgh gelangt [Stand: Dezember 2019]:
- Jeder Mensch trägt die inaktiven Überbleibsel seiner Vorfahren homo erectus in seiner DNA
- Dieser Genrest kann bei einigen (aber nicht allen!) Menschen aktiviert werden, wenn sie Kontakt zu einem NH haben, genauer gesagt, dessen Blut sich vermischt
- Das aktivierte Gen, genannt Paläogen, führt zu einigen physischen Veränderungen
- Alle NHs besitzen eine mutierte Variante des Paläogens
Die Frage ist nun, was man mit diesen Erkenntnissen (die nicht öffentlich, sondern nur den Projektmitgliedern und entsprechenden Förderern bekannt sind) erreichen kann. Dazu benötigt es mehr Probanden mit einem aktiven Paläogen sowie NHs.
Was Dr. Dale und sein Team (und damit die britische Regierung bzw. das MIU) nicht wissen:
- Die amerikanischen Kollegen, die die Proben der NHs lieferten, wissen, dass beinahe alle Einsatzkräfte der Elite das aktive Paläogen in sich tragen
- Das Paläogen ist vermutlich der Grund, weshalb sie sich im Kampf gegen die NHs beweisen konnten
- Amerikanische Wissenschaftler haben aus dem Blut von NHs eine leistungssteigernde Pille namens Nova erfunden, die Einsatzkräfte ohne Paläogen auf eine ähnliche Kondition bringt und bei inaktiven Paläogenträgern das Gen aktiviert
- Paläogenträger haben ein besonderes Gespür dafür, wenn NHs anwesend sind und können von diesen durch Gedankenmanipulation nicht beeinflusst werden (nur kurzzeitig hypnotisiert, s. Vampire → Stufe 1 Wahrnehmungstäuschung)
Dieser Wissensvorsprung besteht auch bei den Elite-Mitgliedern, die nun in verschiedenen britischen Städten zusammen mit der MIU eingesetzt werden. Sie müssen über das Paläogen absolut schweigen, ebenso darüber, dass sie über eine Droge verfügen, dass sie im Einsatz leistungsfähiger macht.
Paläogenträger in der Gesellschaft
Unabhängig vom Wissensstand des Instituts oder der Amerikaner ist die Lage in der Bevölkerung wie folgt: Ungefähr 40% aller Menschen haben die Veranlagung auf ein Paläogen, also ein aktiviertes Überbleibsel des homo erectus. Sollte einer von den 40% von Vampiren wissen und sich mit ihnen auf ein Blutgeschäft einlassen, d.h. sich als Spender anbieten und dafür selbst etwas Vampirblut konsumieren (für ein süchtig machendes Hochgefühl), wird das bis dato inaktive Gen aktiv. Vampirblut muss in den eigenen Blutkreislauf gelangen, um die Aktivierung in Gang zu setzen. Es folgt dann eine 24-stündige Phase mit grippeähnlichen Symptomen, v.a. Fieber und Gliederschmerzen, ehe diese wieder verschwinden und der Paläogenträger seinen Alltag normal fortsetzt. Weitere Veränderungen treten im Laufe der nächsten 4 Wochen auf: eine Unverträglichkeit gegenüber Laktose und Gluten, ein verbessertes Immunsystem und damit einhergehend ein geringeres Infektionsrisiko und höhere physische Belastbarkeit (geringeres Schmerzempfinden, höhere Ausdauer/ Leistung, kürzere Erholungszeiten). Voraussetzung für das gesteigerte Immunsystem ist, dass der Träger auch seine Ernährung entsprechend anpasst, ansonsten wird er mit den bekannten Symptomen von Zöliakie und Laktoseintoleranz zu kämpfen haben, was wiederum seine Verfassung eher schwächt als stärkt.
Paläogenträger & Magie
Dieses Phänomen versucht man sich zu erklären, indem man davon ausgeht, dass manche Menschen einfach keinen „Draht“ zur Magie besitzen. Warum? Das wissen weder Alchemisten noch Naturalisten (kein Wunder, dass sie glauben, etwas „besonderes“ zu sein).
Die Erklärung dafür liegt in den Genen; die genannte prähistorische Gensequenz entscheidet, ob der Träger empfänglich für Magie ist oder nicht. Allen Menschen, denen ein potentiell aktives Paläogen eigen ist, ist magisches Wirken nicht möglich. Das Paläogen kann sogar noch inaktiv sein, trotzdem fällt es durch die o.g. Tests. Es scheint einfach nicht kompatibel mit Magie zu sein.
Paläogenträger & Vampire
Im Umkreis von 5 Metern oder weniger ist das Gefühl fast schon aufdringlich und nicht zu ignorieren, doch man könnte nicht mehr genau ausmachen, wer Mensch und wer Vampir ist, wenn man sich in einer Menschenmenge befindet. Trainierte Paläogenträger haben allerdings gelernt, auch andere Indizes zu erkennen.
Auch wenn Paläogenträger die Nähe zu Vampiren nicht als einladend empfinden, weil sie sich dafür zu sehr wie „unter Strom“ fühlen, können persönliche Interessen und ein starker Wille dieses Gespür auch ins Abseits drängen. So kann es sogar dazu kommen, dass ein Paläogenträger mehr als nur einmal an Vampirblut gelangt; Im Falle, dass der Paläogenträger regelmäßig Vampirblut einnimmt, würde er Gefahr laufen, sehr schnell in eine Abhängigkeit zu geraten, die nicht nur psychisch ist (wie sie auch bei Menschen ohne aktivem Gen eintreten kann), sondern auch körperlich spürbar ist, und zwar als Durstgefühl. Würde er das Spiel weiter treiben, müsste er feststellen, dass einzig das Vampirblut diesen Durst löscht. Es treibt ihn schlichtweg in den Wahnsinn.
Ausweg aus dieser Misere ist der Tod oder die Verwandlung zum Vampir. Aber Achtung! Paläogenträger, die vor der Verwandlung schon von Vampirblut abhängig waren, werden auch nach der Verwandlung so sehr auf dieses Blut spezialisiert sein, dass ihnen Menschenblut wenig Sättigung verschafft. Sie werden zu Vampiren, die andere Vampire jagen.
Da vampirische Manipulation bei Paläogenträgern nur auf Stufe I funktioniert, ist die körperliche Abhängigkeit ein Mittel, um sie abhängig und gehorsam zu machen. Dass eine Verwandlung allerdings vampirjagende Vampire zur Folge hat, ist nicht unbedingt bekannt, was sehr dafür spricht, dass Vampire eher dazu tendieren, abhängige Menschen zu töten statt zu verwandeln.
Letzte Änderung: 12.06.21